Etappe 37: Glückstadt - Friedrichskoog 68 km
Heute stand die absolute Königsetappe auf dem Plan. Die schwierige Situation, eine Unterkunft an der Nordsee zu bekommen, zwang uns, heute fast 70 Kilometer zu fahren. Das war zwar unheimlich
anstrengend, klappte dennoch besser als erwartet. Von Glückstadt aus, ging es immer am Elbdeich entlang, vorbei an unzähligen Schafen, bis wir es dann tatsächlich an die Nordsee geschafft hatten. Zur
Belohnung, ging es zur Seehundstation in Friedrichskoog und wir gönnten uns ein gutes Essen direkt am Meer.

Rechts vor Links mal anders. Das Sperrwerk der Stör macht den Weg frei für den Schiffsverkehr.
Da wir wussten, auf welch schwieriges Unterfangen wir uns heute einlassen mussten, haben wir bereits am Vorabend unsere Taschen gepackt, um am Morgen möglichst schnell starten zu können. Das
klappte ausgesprochen gut und Punkt 9 Uhr saßen wir im Sattel. Immer an der Elbe lang ging es und wir lernten ziemlich schnell das Landschaftsbild kennen, das den Rest unsere Etappe prägen würde.
Am Deich ging es im Slalom um die unzähligen grasenden Schafe auf dem Weg. Ebenso hatten wir jede Menge Schaftore zu überwinden. Das sind die Tore, durch die man eine Schaftweide betreten bzw.
wieder verlassen kann. Für uns tückisch war diese Konstruktion, da sie so gebaut ist, dass die Tore allein wieder zufallen. Weil wir mit Überlänge und Überbreite unterwegs waren, war es in der
Regel Millimeterarbeit, die auch einiges an Zeit kostete.

Einer der vielen „dicken Pötte“ auf der Elbe.
Linkerhand von uns konnten wir, wie schon am Vortag, wieder die „dicken Pötte“ auf der Elbe bestaunen. Es ist wirklich atemberaubend, wie sich diese Riesen mit tausenden Containern an Bord die
Elbe in Richtung Hamburg hinauf arbeiten. Wenig atemberaubend war, dass wir innerhalb von 15 Kilometern an gleich zwei Atomkraftwerken vorbeikamen. Zuerst kam das Kernkraftwerk Brokdorf und kurze
Zeit später das Kernkraftwerk Brunsbüttel. Diese riesigen Bunker haben sich für uns nicht unbedingt passend in das Landschaftsbild eingefügt. Generell war Brunsbüttel, unser Ort für die
Mittagspause, für uns eher unattraktiv. Es ist ein riesiger Industriestandort, an dem sich hauptsächlich die Öl- und Gasindustrie niedergelassen hat. Mitten im Ort beginnt auch der
Nord-Ostsee-Kanal, die weltweit meistbefahren künstliche Wasserstraße. So hielten wir unsere Mittagspause nicht länger als nötig, da noch einiges an Wegstrecke vor uns lag.

Faulenzen am Pool - In der Seehundstation Friedrichskoog.
Ein steter Begleiter der heutigen Etappe war der Wind. Der kam natürlich von vorn, was in Richtung Nordsee aber nicht verwunderlich ist. Man konnte gut spüren, wie der Wind stärker wurde, je mehr
wir uns der Nordsee näherten. Vorsicht walten lassen mussten wir auch bei den vielen Schafen entlang des Weges. Einige von ihnen liefen uns unvermittelt vor das Rad. So mussten wir einige Male
eine Vollbremsung oder einen hastigen Schlenker zur Seite machen. Irgendwann hießen alle Orte entlang des Weges nur noch irgendwas mit „Koog“. Da gab es Neufelderkoog, Kaiser-Wilhelm-Koog usw..
Kooge sind Landflächen, die man durch Deichbau dem Meer abgetrotzt hat. Geschichtlich spannend war der Dieksanderkoog, der früher Adolf-Hitler-Koog hieß. Von den Nationalsozialisten als
Mustersiedlung ins Leben gerufen, sollte er dem Ausland den friedlichen Landgewinn auf eigenem Territorium vorgaukeln. Tatsächlich fielen daraufhin Heerscharen von ausländischen Touristen dort
ein, nachdem Hitler persönlich den Koog auf seinen Namen taufte.

Friedrich macht große Augen bei den Seehunden.
Unser Ziel für heute war Friedrichskoog. Eigentlich wollten wir direkt bis zu unserer Unterkunft fahren, entschlossen uns aber, Friedrich dafür zu belohnen, dass er die lange Strecke so geduldig
im Anhänger gesessen hatte. Wir besuchten die Seehundstation Friedrichskoog. Hier werden alle verwaisten Heuler, wie Seehund-Junge ohne Mutter genannt werden, die an der Nordseeküste aufgefunden
wurden, wieder aufgepäppelt und auf ein Leben in freier Wildbahn vorbereitet. Daneben gibt es auch noch Dauergäste, bei denen eine Auswilderung nicht möglich war. Die Jungtiere selbst konnten wir
allerdings nur aus der Ferne sehen. Da sie wieder in die Freiheit entlassen werden, soll sich der Kontakt mit dem Menschen auf ein Minimum reduzieren. Für Friedrich war es dennoch der absolute
Traum, so viele von diesen tollen Tieren auf einmal zu sehen. Er war wirklich kaum zu halten, so sehr freute er sich. Vermutlich wäre er am liebsten selbst mit ins Becken gesprungen. Selbst die
künstlichen Plastik-Seehunde versetzten ihn in helle Aufregung. Für uns war es wirklich sehr schön zu sehen, wie er solch zutiefst ehrliche Freude empfinden kann.

Auf dem 54. Breitengrad.
Nach der Seehundstation belohnten wir uns noch mit einem tollen Abendessen. Auf dem Weg dahin teilte uns ein Gedenkstein am Wegesrand mt, dass wir soeben den 54. Breitengrad passiert haben.
Inzwischen haben wir seit Beginn der Tour sogar ganze 7 Breitengrade gequert. Kurz vorm Ziel auf Sylt wird sogar noch Nummer 8 dazukommen. Vor Friedrichskoog liegt auch die größte deutsche
Bohrinsel „Mittelplate“, deren Silhouette man im Dunst des Horizonts gut erkennen konnte.

Wir freuen uns, weil wir tatsächlich die Nordsee erreicht haben!
Nach dem Abendessen kam ein ganz besonderer Moment für uns. Wir stiegen den Deich hinauf und als wir oben ankamen, da sahen wir sie: Die Nordsee! Wir sind in den Bergen der Alpen gestartet und jetzt
stehen wir hier tatsächlich zusammen am Meer. Es ist das erste Mal, dass wir bis zum Horizont gucken können und kein Land sehen. Es ist kaum zu beschreiben, wie sich all das anfühlt. Wir mussten
wirklich einen Moment innehalten, um uns der Tragweite dessen, was wir bislang schon geschafft hatten, bewusst zu werden.
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Margret (Montag, 23 Juli 2018 22:57)
Wieder ein toller Bericht. Alles Gute für die nächste Etappe.