Etappe 23: Kassel - Hann. Münden 35 km
Der heutige Tag verlief ziemlich chaotisch und hielt mal wieder einige Überaschungen für uns bereit. Den Vormittag wollten wir dazu nutzen, den Bergpark in Kassel zu erkunden, zu dem wir es
gestern wegen der erschöpfenden Etappe leider nicht mehr geschafft hatten. Nach dem gemütlichen Frühstück, ging es gleich los. Fahrräder und Packtaschen konnten wir netterweise für diese Zeit in
der Jugendherberge lassen. Der Bergpark, der ganz korrekt Bergpark Wilhelmshöhe heißt, liegt ziemlich imposant über der Stadt. Da er sogar auf über 500 Metern liegt, nutzten wir die Möglichkeit,
mit dem öffentlichen Nahverkehr bis nach oben zu fahren und zu Fuß wieder hinunter zu gehen.

Auf dem Herkules mit überragender Sicht auf Kassel.
Oben angekommen, standen wir auch gleich vor dem mächtigen Wahrzeichen Kassels, dem Herkules. Dazu zählt eine achteckige Felsformation mit darauf stehender Pyramide, die den Sockel für eine
gigantische Kupferskulptur des antiken Herkules bildet. Die Skulptur gilt als die weltweit herausragendste Kupferarbeit der Neuzeit. Hier haben wir eine Weile ausgeharrt und sowohl den
Anblick des Herkules, als auch die überragende Sicht hinunter nach Kassel genossen. Unterhalb des Herkules begann dann das, wofür der Bergpark weltberühmt ist. Die riesigen Anlagen für die
Wasserspiele, die von oben bis hinunter zum Schloss Wilhelmshöhe führen. Auch, wenn die Spiele selbst heute nicht zu bewundern waren, hat es uns auch so schwer beeindruckt, all die Kaskaden,
Wasserfälle und Seen in dieser gigantischen Anlage zu bestaunen.

Blick über die Wasser-Kaskaden hinauf zum Herkules.
Dass das komplette Areal, das auch mit vielerlei teils exotischen Bäumen und Sträuchern bepflanzt war, vor mehr als 300 Jahren künstlich angelegt wurde, kann man sich kaum vorstellen. Wie so
viele Monumente der Menschheitsgeschichte geht auch der Bergpark auf den Größenwahn eines einzelnen absolutistischen Herrschers, in diesem Fall Karl von Hessen, zurück. Was für uns am
beeindruckendsten war, dass die Wasserspiele komplett ohne externe Unterstützung funktionieren. Das Wasser wird in einem riesigen verborgenen Resorvoir angestaut und dann über ein komplexes
System aus Leitungen und Kaskaden nach unten geführt. Lediglich das Gefälle ist die Kraft, die all das ermöglicht. Von ganz oben bis hinunter zum Schloss dauern die Spiele weit über eine Stunde
an. Als wir all das sahen, wurden wir doch ziemlich traurig, es gestern so knapp verpasst zu haben. Umso fester stand unser Entschluss, dass wir unbedingt wiederkommen möchten, um dieses
Versäumnis wettzumachen.

Bea auf der Teufelsbrücke über dem „Wasserfall“.
Da unser Plan war, mit Friedrichs Mittagsschlaf wieder im Sattel zu sitzen, wollten wir nach dem Besuch des Bergparks noch etwas essen, um dann zu starten. Mittag gab es heute aus praktischen
Gründen beim Bäcker. Wie wir da saßen und unsere Brötchen vertilgten, hörten wir, wie die Verkäuferin den Kunden wünschte, dass sie doch trocken nach Hause kommen möchten. Zuerst verstanden wir
nicht ganz, da wir bei schwülen 32 Grad im Bergpark unterwegs waren. Ein kurzer Blick nach draußen zeigte dann, was gemeint war. Es ergoss sich ein stattlicher Gewitterregen über der Stadt. Da
sich ziemlich schnell zeigte, dass der Regen vorerst von Dauer sein würde, konnten wir unsere Pläne für die Weiterfahrt erstmal begraben. Über eine halbe Stunde saßen wir beim Bäcker fest, bevor
sich ein Fenster mit etwas weniger Platzregen bot. Ironischerweise war die Jugendherberge nämlich nur 2 Straßen weiter. Dort angekommen, versuchten wir einen Alternativplan zu schmieden, da laut
Vorhersage der Regen nicht so schnell aufhören würde. Problematisch dabei war, dass Friedrich dringend schlafen musste. Netterweise stellte man uns in der Jugendherberge ein Zimmer dafür zur
Verfügung. Leider fand Friedrich das aber gar nicht so gemütlich wie wir und ging auf die Barrikaden. Wir waren hin und hergerissen, da es für den Moment aufgehört hatte zu regnen. Dieselbe
Situation ereilte uns schon im Allgäu, beim letzten Regen, den wir auf der Tour hatten. Hier entschieden wir uns fürs Weiterfahren und wurden nass bis auf die Knochen. Dennoch gingen wir auf
Risiko und fuhren los.

Friedrich und Bea vor dem Aquädukt.
Kassel ist die größte Stadt, in der wir bislang auf unserer Tour Station gemacht haben und wir merkten, wie sehr wir uns unbewusst an das Leben auf dem Rad und die landschaftliche Idylle gewöhnt
hatten. Die städtische Hektik, lauter Autoverkehr, pöbelnde Autofahrer, Gehupe an jeder Straßenecke, schlechte Luft, all das waren Dinge, die wir seit knapp einem Monat nicht mehr kannten und die
uns jetzt zutiefst befremdlich vorkamen. Wir wollten so schnell wie möglich raus aus der Stadt und auf den Radweg kommen. Natürlich war die Stadt voll von Baustellen und die Beschilderung zum
Radweg war dermaßen schlecht, dass wir über eine halbe Stunde für das kurze Stück brauchten, bis wir wieder auf dem Fulda-Radweg waren. Als wir ihn schließlich erreichten, mussten wir ein paar
mal tief durchatmen und waren erstaunt darüber, wie sensibel wir auf den „normalen“ Verkehr einer mittelmäßig großen Stadt reagierten.

Albernheiten bei der Pause am Nachmittag.
Scheinbar getrieben vom Wunsch, so schnell wie möglich von diesem Erlebnis wegzukommen, legten wir einen regelrechten Ritt in Richtung Hann. Münden hin. Einen Schnitt von über 18 km/h haben wir
bislang erst ein einziges Mal geschafft. So waren wir dann nach weniger als 2 Stunden endlich in Hann. Münden und somit auch in Niedersachsen. Es ist die zweite „3-Flüsse-Stadt“ unserer Tour
nachGemünden am Main. Als wir in die Stadt hinein fuhren, verabschiedeten wir uns nach einer Woche von der wunderbaren Fulda, denn sie vereinte sich mit der Werra und beide werden ab hier zur Weser.
DieJugendherberge ist wieder ein kleines Highlight für uns, denn sie liegt direkt an der Weser. Den hauseigenen Bootssteg haben wir auch schon unsicher gemacht. Wir werden den lauen Abend am
Wassergenießen, bevor morgen die Fahrt nach Göttingen ansteht.

Erholung am Weser-Steg der Jugendherberge.
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Stefan K (Freitag, 06 Juli 2018 07:49)
Wow. Da seid ihr ja echt gut vorangekommen. Weiterhin viele tolle Erlebnisse und Grüße aus gleicher Höhe Leipzig