Berg- und Talbahn

Etappe 17: Jossa - Uttrichshausen 32 km

Dass wir die meisten Höhenmeter bei einer Etappe nicht in den Alpen, sondern zwischen Spessart und Rhön machen würden, hätten wir vor Beginn der Tour bestimmt nicht gedacht. Insgesamt haben wir heute 510 Höhenmeter absolviert, was auf so einer kurzen Etappe doppelt ins Gewicht fiel. Besonders gemein empfanden wir es, weil sich von Beginn an immer wieder kleine Anstiege mit den Abfahrten danach aneinanderreihten. Den Anstieg, den man soeben mühevoll erklommen hat, wieder hinab zu rollen, hat unsere Moral auf eine Harte Probe gestellt. So waren wir bereits nach 15 km fix und fertig, ohne insgesamt auch nur einen Höhenmeter über unserem Startort zu sein.

Nachdem wir die abendliche Wut wegen Friedrich’s Absturz von gestern ein wenig sacken lassen konnten sind wir heute morgen etwas beruhigter aufgewacht. Er scheint, auch wenn es wirklich äußerst gefährlich aussah, keine größeren Verletzungen davongetragen zu haben. Da das Personal der Unterkunft mit der Situation gestern auch überfordert schien, haben wir uns gefreut, dass man uns heute morgen angesprochen und sich ausdrücklich dafür entschuldigt hat. Das war uns wirklich wichtig. So sind wir frohen Mutes in die Etappe gestartet, wohlwissend, dass es erst ab Kilometer 20 so richtig bergig werden würde.
Improvisierte Wäscheleine nach dem Waschtag.
Für die Mittagspause haben wir wieder einen wunderbaren Spielplatz gefunden, der für uns alles bereit hielt, was wir uns wünschen konnten. Besonders schön war, dass auf der Wiese gegenüber Kühe mit ihren jungen Kälbern grasten. So gab es für Friedrich, neben den Attraktionen auf dem Spielplatz, auch wieder Tiere zu sehen, worüber er sich jedes Mal wahnsinnig freut.

Nach inzwischen über 600 Kilometern haben wir für uns resümiert, dass wir schon wirklich viele deutsche oder globale Einzigartigkeiten bestaunen durften. Auch wenn das größte Schnitzel der Welt nicht unbedingt den gleichen kulturellen Wert, wie der weltweit höchste Kirchturm hat, erstaunt uns die Vielfältigkeit, die Deutschland zu bieten hat, immer wieder. Natürlich gab es auch heute wieder einen deutschen Rekord. Auf unserer Fahrt kamen wir am südlichen Eingang des Landrücken-Tunnels vorbei, dem mit knapp 11 Kilometern längsten Tunnel Deutschlands.
Mittagspause auf dem Spielplatz an der Kuhweide.
Nachdem wir die Mittagspause wunderbar kurzweilig gestalten konnten, machten wir uns auf, den noch schwierigeren Teil der Etappe zu bezwingen. Müde vom pausieren hatten wir große Probleme, wieder in Schwung zu kommen. Es ging sogleich auf einer kleinen Landstraße ordentlich bergauf. Als wir ganz stolz oben ankamen sahen wir - Überraschung - die Abfahrt vor uns, die uns mal wieder auf Ausgangshöhe zurückbrachte. Frustriert wie wir waren, wussten wir aber auch, dass gleich der ganz große Anstieg auf uns warten würde. Über 200 Höhenmeter auf knapp 2 Kilometern Strecke. Erschöpft aber gestählt von den zahlreichen Bergetappen des Allgäu gingen wir die letzte große Herausforderung an. Mit durschnittlich 5 km/h ging es Tritt für Tritt bergauf. Jeden Höhenmeter, feierten wir innerlich, als wären wir fast oben. 

Als wir den „Gipfel“ schon sehen konnten und uns freuten, es gleich geschafft zu haben, brausten zwei E-Biker, doppelt so schnell und doppelt so alt wie wir, an uns vorbei. Welch ein Hohn, dachten wir uns. Das strittige Thema E-Bike beschäftigt uns schon die ganze Tour lang. Der gefühlte Anteil der E-Bikes bei allen Radlern, die wir unterwegs gesehen haben, lag bei mindestens 70 %. Gestern sagte uns ein E-Biker, dass wir ja noch „biologisch“ unterwegs wären. Dachten wir bislang, dass wir die „normalen“ Fahrradfahrer sind, scheinen wir mittlerweile eher Exoten zu sein, da wir ohne elektrische Unterstützung unterwegs sind. Wir selbst sind der Meinung, dass wenn ein E-Bike insbesondere älteren Menschen hilft, wieder mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren, es eine fantastische Sache ist. Wenn ansonsten nicht zu bezwingende Wege wieder zugänglich werden und der Bewegungsradius erhöht wird, ist das eine enorme Steigerung der Lebensqualität. 
Als Gegenbeispiel können wir aber den übergewichtigen Jugendlichen anführen, der uns im Allgäu am Berg rasant überholt hat. Unsere Gesellschaft ist ohnehin schon von massivem Bewegungsmangel geprägt. Die Frage muss erlaubt sein, ob es dann sinnvoll ist, die wenige Bewegung, die v.a. Jugendliche im Alltag haben, noch weiter zu reduzieren. Es ist und bleibt ein Streitthema, an dem sich die Geister scheiden. Wir können sowohl Befürworter, als auch Gegner verstehen.
Einer von unzählig vielen Anstiegen am heutigen Tag.
Als wir auf dem Gipfel ankamen, waren wir so stolz auf uns, dass wir auch diese große Hürde gemeistert haben. Zufällig machten auch die rasanten E-Biker von kurz zuvor dort oben eine Pause, um die tolle Aussicht auf die Rhön zu genießen. Wir kamen schnell ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass die beiden eine ganz ähnliche Tour, wie wir fuhren. Von Oberstdorf an die dänische Grenze. Die eine Hälfte in diesem Jahr, die Zweite im Nächsten. Nachdem wir uns über sämtliche Highlights und Widrigkeiten auf unser beider Routen ausgetauscht hatten, kamen wir natürlich nochmal auf das Thema E-Bike. Einer der beiden fuhr ein elektrische Liegerad, weil er vor kurzem einen Schlaganfall und dadurch Gleichgewichtsprobleme hatte. Das hat uns wirklich tief beeindruckt, dass jemand nach solch schwerwiegendem Ereignis keinesfalls den Mut verloren hat und so eine tolle Tour fährt. Er strahlte eine Freude an dem, was er tat aus, die mehr als bewundernswert ist. Einen besseren Zweck für ein E-Bike kann ich mir kaum vorstellen.
Gipfelfoto mit Blick auf die Rhön.
Hocherfreut von diesem tollen Treffen, machten wir uns daran, mit der Abfahrt ins Tal, den Lohn für unsere Mühen zu ernten. Ohne auch nur einen Pedaltritt sausten wir hinunter und alle Anstregung zuvor war vergessen. Unsere heutige Unterkunft zählt wieder zur eher kuriosen Sorte. Wir haben Quartier in einer Pizzeria bezogen, die unerwartet tolle Zimmer hat. Die Pizza zum Abendbrot war da natürlich eine super Belohnung. Kurios ist vor allem, dass sich die Pizzeria direkt unter einer riesigen Autobahnbrücken der A 7, unserer steten Begleiterin, befindet. Für morgen haben wir dann eine kurze Etappe hinunter nach Fulda geplant, um uns am Nachmittag noch die Stadt anschauen zu können.

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Kommentare: 2
  • #1

    Caro (Donnerstag, 28 Juni 2018 23:55)

    Ha, ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, wie ihr das mit der Wäschewascherei macht! Jetzt weiß ich zumindest wie ihr sie trocknet...

  • #2

    DITZENS (Samstag, 30 Juni 2018 16:01)

    GERADE IM STAU AUF DER A9 WÜRDEN WIR AUCH RADFAHREN WOLLEN. BEGLEITEN EUCH GEDANKLICH, BLEIBT GESUND.