In luftigen Höhen

Etappe 7: ulm - günzburg 38 km

Nachdem wir den gestrigen Tag noch enstpannt ausklingen lassen konnten, sind wir mittlerweile große Fans von Jugendherbergen geworden. Es ist eine wunderbare Art der Unterkunft, wenn man mit Kind unterwegs ist. Wir freuen uns schon sehr auf die nächsten Jugendherbergen entlang unserer Route. Die Herberge in Ulm führte uns auch eindrucksvoll auf, welche berühmten Töchter und Söhne die Stadt hat. Der berühmteste ist vielleicht der hier vor einigen Tagen zitierte Albert Einstein. Aber auch Namen wie Hans und Sophie Scholl, Robert Bosch, Uli Hoeneß oder Harald Schmidt kennt in Deutschland vermutlich jeder.
Das Ulmer Münster - Der höchste Kirchturm der Welt
Schwer beeindruckt von dem, was eine vergleichsweise kleine Stadt an Persönlichkeiten zu bieten hat, wollten wir Ulm gern ein bisschen näher kennenlernen. Da wir mittlerweile schon ein ganz gutes Gefühl dafür entwickelt haben, was für uns und auch für Friedrich an einem Tag machbar ist, haben wir uns entschlossen, den Vormittag in Ulm zu verbringen und die Etappe am Nachmittag zu absolvieren. So konnten wir ganz entspannt am Morgen packen, ohne Druck zu haben, zu einer bestimmten Zeit losfahren zu müssen.
100 Meter über Ulm
Für den kulturellen Teil haben wir uns zwei Dinge vorgenommen. Das Ulmer Münster sehen und Maultaschen essen. Beides sollten aufregende und atemberaubende Erfahrungen werden. Was wir nämlich vorher nicht wussten ist, dass das Ulmer Münster mit seinen 161,5 Metern der höchste Kirchturm der Welt ist! Schnell haben wir uns entschieden: Wir wollen da hoch! Lediglich 768 Treppenstufen wären dafür von unten bis ganz oben zu gehen. Blauäugig, wie wir waren, haben wir Friedrich ins Tuch geschnallt und ein Ticket gelöst.
Über 700 Stufen nach oben und Friedrich ist mittendrin
Direkt hinter der Tür dann gleich der erste Schreck. Eine knapp 60 cm breite Wendeltreppe erwartete uns und ringsherum nur massive Steinwände. Mit dem schleichenden Gefühl der Platzangst, denn ein Umdrehen war nicht möglich, machten wir unsere ersten Meter nach oben. Schnell setzte leichter Schwindel ein, denn die Drehungen nach oben wollten kein Ende nehmen. Schlimmer noch, denn in bereits luftiger Höhe bekam die vorher massive Steinwand immer mehr Öffnungen nach außen, die einen freien Blick in die schwindelerregende Tiefe unter Einem ermöglichten. Über mehrere kleine Plattformen, an denen man sich kurz erholen konnte, erreichten wir die vorletzte Plattform in knapp 100 Metern Höhe. Hier mussten wir erstmal innehalten und Luft holen, von den angsteinflößenden Minuten davor.
Das letzte Stück geht 50 Meter steil nach oben 
Bea entschied sich, nicht weiter aufzusteigen, denn ab jetzt führte eine nach außen weitgehend offene Wendeltreppe innerhalb des Turms steil nach oben. Ich wollte, zusammen mit Friedrich, mein Glück probieren, denn ab jetzt war auch ein Umdrehen möglich. So stiegen wir los, stets der Devise folgend, immer nach oben und niemals nach unten zu schauen. Auf der Treppe gab es einige enge Begegnungen, denn man kam nur seitlich Bauch an Bauch aneinander vorbei, was bei Rucksack- oder Bauchträgern durchaus problematisch war. Je höher wir kamen, desto enger wurde es im Turm, da wir uns auf die Spitze zubewegten. Ein mulmiges Gefühl, das durch den stets stärker werdenden Wind noch unangenehmer wurde. Mit den letzten mentalen Reserven schafften wir es aber bis ganz nach oben. Was für ein atemberaubendes Gefühl, nach so einem zehrenden Aufstieg, so hoch über der Stadt zu sein. Und wie schön, dass Friedrich dabei sein konnte. Er war eh derjenige von uns, der das alles am coolsten machte. Lässig hing er in seinem Tragetuch und ananlysierte die Lage. Nachdem wir einen Moment oben verweilt haben, machten wir uns auf den Abstieg zu Bea und zusammen mit ihr, nach ganz unten. Dort angekommen, mussten wir uns erstmal eine große High-Five geben, dass wir sowas aufregendes zusammen mit Baby machen.
Das höchste Kirchturm-Baby der Welt - Ganz oben auf dem Ulmer Münster
Da uns all das schrecklich hungrig machte, widmeten wir uns dem zweiten Teil des Kulturprogramms: Maultaschen essen! Mein Freund Rico, der mal in Ulm gelebt hat, empfahl uns, unbedingt Maultaschen zu essen, wenn wir denn da sind. Beim Essen lassen wir uns natürlich nicht lange bitten und haben nach kurzer Suche ein Restaurant gefunden, das uns mit selbstgemachten Maultaschen verköstigte.
Auf dem Donauradweg von Ulm nach Günzburg
Wir freuen uns immer wieder darüber, während unserer Reise, die regionale Küche kennenzulernen. Im Allgäu waren es vor allem die deftigen Brotzeiten mit Schinken und Bergkäse, während es jetzt die Maultaschen wurden. Ohnehin können wir nach mittlerweile 230 km Tour schon einige Veränderungen bei Land und Mensch feststellen. Das bergige Allgäu haben wir mit dem gestrigen Tag endgültig hinter uns gelassen und sind jetzt mitten in Schwaben. Die innerdeutschen Sprachbarrieren zwischen uns und den Einheimischen sind erstaunlich gering. Auch, wenn man nicht jedes Wort versteht, lässt sich meistens der Inhalt erschließen. Falls man es doch mal nicht verstanden hat, reicht häufig eine Bitte um Wiederholung, um zu signalisieren, dass man etwas weniger Dialekt zum Verständnis benötigt. Es gab lediglich zwei bis drei Personen, die man auch nach etlichem Nachfragen nicht verstehen konnte. Da half der Klassiker „Lächeln, obwohl man absolut nichts verstanden hat“ ganz gut weiter. Ein wunderbarer Unterschied zwischen Bayern und Baden-Württemberg ist das Verhältnis der Verkaufsfläche von Bier zu Wein in den lokalen Supermärkten. Während es in Bayern gefühlt 5 mal mehr Bier, als Wein gibt, ist es im Nachbar-Bundesland genau umgekehrt. Es macht unheimlich viel Freude, Deutschland und seine Einwohner mitsamt ihrer Eigenarten auf diese Weise kennenlernen zu können. Wir sind schon gespannt, was da noch alles auf uns zukommen mag.

Und so sind wir heute auch noch 38 km entlang der schönen Donau bis nach Günzburg geradelt. Hier wurden wir von unserer Gastgeberin äußerst warmherzig und mit einer kühlen Cola auf der Terrasse willkommen geheißen. Hier gibt es einen schönen Garten und insgesamt 19 Katzen! Friedrich war stellenweise sehr damit überfordert, über welches der vielen Tiere er sich denn jetzt überhaupt freuen kann. Für morgen haben wir uns die zweite Donau-Etappe nach Dillingen vorgenommen. Drückt uns die Daumen, dass alles weiter so gut läuft, wie in den letzten Tagen!

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Kommentare: 1
  • #1

    Susanne (Montag, 18 Juni 2018 16:37)

    Hört sich toll an und sieht auch richtig gut aus, freut mich das es Friedi und auch euch Beiden gut geht. Drücke Euch